Die Ausweitung und Effizienzsteigerung der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird als Schlüssel zur Energiewende hin zu einer klimaneutralen Verbindung von Energie- zum Chemiesektor angesehen. Diese Elektrifizierung betrifft unsere Gesellschaft nicht nur im privaten Bereich, sondern hat auch große Auswirkungen auf die chemische Industrie. Insbesondere ergeben sich daraus neue Herausforderungen und Chancen für die Defossilisierung chemischer Prozesse. In der chemischen Industrie ist die synthetische Umwandlung organischer Verbindungen mit Wasserstoff (d. h. Hydrierung) ein zentraler Schritt bei der Herstellung wichtiger Produkte, die von Grundchemikalien und Kraftstoffen bis hin zu Feinchemikalien, Agrochemikalien und Arzneimitteln reichen. Während Hydrierungsreaktionen derzeit hauptsächlich unter Verwendung von gasförmigem molekularem Wasserstoff (H2) als Wasserstoffquelle entwickelt und durchgeführt werden, besteht eine vielversprechende Alternative darin, direkt erneuerbaren Strom und Wasser als Elektronen- bzw. Protonenquelle zu nutzen. Dieser Ansatz, der auch als elektrokatalytische Hydrierung bezeichnet wird, ist nachhaltig und eignet sich daher perfekt für die erwartete Elektrifizierung des Chemiesektors.
Der Erfolg dieser Strategie hängt jedoch von der Überwindung von Herausforderungen ab, die die Anwendbarkeit bisher stark eingeschränkt haben. Dazu gehören insbesondere die Schwierigkeit wasserunlösliche organische Verbindungen umzuwandeln, die geringe Energie- und Ressourceneffizienz des Gesamtprozesses sowie das Erfordern zusätzlicher Trennungschritte zur Produktisolierung.
In einem kürzlich in Nature Catalysis veröffentlichten Artikel hat ein Team von Wissenschaftlern um Dr. Nicolas Kaeffer und Dr. Alexis Bordet, Gruppenleiter in der Abteilung von Prof. Walter Leitner am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, ein neuartiges System vorgestellt, das die elektrokatalytische Hydrierung von wasserunlöslichen organischen Substraten mit hoher Effizienz ermöglicht. Bei früheren Systemen wurden einfache Metallelektroden verwendet, um die wässrige (Quelle der Protonen) und die organische (organische Verbindungen enthaltende) Phase zu trennen, doch führten solche Ansätze zu einer geringen Energieeffizienz. Um diese Herausforderung zu meistern, kombinierte das Forscherteam sein Fachwissen über Emulsionen, molekulare Oberflächenmodifikation, Elektrokatalyse sowie Katalyse auf der Basis von Nanopartikeln. Insbesondere entwickelten die Autoren ein Pickering-Emulsionssystem, bei dem eine große Grenzfläche zwischen wässrigen und organischen Phasen erzeugt wird, welche durch feste Partikel - auf einem Kohlenstoffträger immobilisierte Metall-Nanopartikel - stabilisiert wird, die als Elektrokatalysator fungieren.
„Das Schöne an diesem System ist nicht nur, dass Emulsionen Strom transportieren und als Erweiterung der Elektroden fungieren können, sondern auch, dass eine verbesserte Leistung erreicht wird, indem Reaktionen an der Grenzfläche zweier Phasen ablaufen, die jeweils einen notwendigen Reaktanten enthalten", erklärt Dr. Chenhui Han, Erstautor des Artikels.
Das System wurde für die elektrokatalytische Hydrierung einer Reihe von chemischen Bausteinen eingesetzt und ermöglicht einen einfachen und effizienten Zugang zu synthetisch wichtigen Zwischenprodukten und Produkten.
Dr. Alexis Bordet und Dr. Nicolas Kaeffer, die beiden führenden Wissenschaftler dieser Studie, erläutern: „Diese Studie ist ein innovatives Beispiel für das Potenzial von Emulsionen, die hocheffiziente elektrokatalytische Umsetzung von Synthonen zu ermöglichen, die mit den üblicherweise verwendeten Elektrolyten nicht kompatibel sind. Nach diesem Konzeptnachweis gehen wir davon aus, dass sich unser Ansatz leicht auf eine Vielzahl synthetischer Umwandlungen ausdehnen lässt, beispielsweise im Bereich der Biomasseumwandlung".
Wissenschaftliche Details:
Die Wissenschaftler haben eine Pickering-Emulsion entwickelt, welche organische Substrate und wässrige Elektrolyte in verschiedenen Phasen unterbringt. Diese Emulsion ermöglicht eine effiziente elektrokatalytische Hydrierung an der Grenzfläche. Dazu hat das Team ein multifunktionales Material entwickelt, das aus Pd-Nanopartikeln besteht, die auf positiv geladenen Kohlenstoffnanoröhren immobilisiert sind und sich an der Grenzfläche ansiedeln. Dieses Material ist somit in der Lage, sowohl als Emulsionsstabilisator als auch als Elektrokatalysator zu fungieren. Bei der elektrokatalytischen Hydrierung von Styrol wurde gezeigt, dass das System Ethylbenzol mit einer hohen Faraday-Effizienz (95,0 %) und massenspezifischen Stromdichte (-148,1 mA.mgPd-1) erzeugt. Das System zeichnet sich durch gute Substratlöslichkeit, hohe Leitfähigkeit und einfache Produktisolierung aus. Der Ansatz konnte auf die Umwandlung verschiedener Alkene angewendet werden. Es wird erwartet, dass die Strategie alternative Lösungen für die elektrokatalytische Hydrierung von Substraten mit geringer Wasserlöslichkeit bietet. In Zukunft soll die Anwendbarkeit dieser Strategie bei einer Vielzahl chemischer Umwandlungen untersucht werden, z. B. bei der Umwandlung von Biomasse oder Biopyrolyseöl.
Weitere Informationen: https://chemistrycommunity.nature.com/posts/electrifying-emulsions-for-highly-efficient-alkene-hydrogenation?channel_id=behind-the-paper
Forschungsarbeit: Han, C., Zenner, J., Johny, J. et al. Electrocatalytic hydrogenation of alkenes with Pd/carbon nanotubes at an oil–water interface. Nat Catal 5, 1110–1119 (2022). https://doi.org/10.1038/s41929-022-00882-4
Beteiligte Gruppen:
- Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (C. Han, J. Zenner, J. Johny, N. Kaeffer, A. Bordet, W. Leitner)
- RWTH Aachen Universität (J. Zenner, W. Leitner)
Danksagungen/Projektförderung:
- Max-Planck-Gesellschaft
- Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzstrategie der Bundesrepublik Deutschland - Exzellenzcluster 2186 'The Fuel Science Center' (ID: 390919832)
- Max-Buchner-Forschungsstiftung (Nr. 3827, Alexis Bordet)