Wer sich für eine wissenschaftliche Karriere in der chemischen Grundlagenforschung entscheidet, hat oft große Pläne: Masterstudium, Doktortitel, ein Aufenthalt an einer ausländischen Eliteuniversität und ein eigenes spannenden Forschungsfeld aufbauen. So sieht die Blaupause aus, die viele junge Chemiker*innen aus aller Welt an eines der Mülheimer Max-Planck-Institute bringt. Um Erfolg zu haben braucht es Strebsamkeit, Begeisterung für die Naturwissenschaften und Forschergeist. Beim diesjährigen Ernst Haage-Symposium wurden hoffnungsvolle Talente ausgezeichnet und Konzepte für nachhaltige Chemie diskutiert.
Das Symposium startete mit einem, der es schon lange geschafft hat und als Pionier der sogenannten „Green Chemistry“ gilt: Professor Paul Anastas von der Universität Yale war als Key Note Speaker geladen und stellte seinen Denkansatz für eine umweltfreundliche Chemie vor. Anastas plädiert dafür, unsere Standardansätze für die industrielle Produktion zu überdenken und fordert stattdessen effektive, nachhaltige chemische Produktionsprozesse. Mit seinem Credo "from efficiency to effectiveness" schlägt er vor, statt jeden Produktionsschritt und jedes Produkt immer effizienter machen zu wollen, auf ein ganzheitliches Effektivitätskonzept umzusteigen, das Ressourcenschonung und CO2-Vermeidung von Anbeginn mitberücksichtigt. Sein Co-Sprecher Stafford Sheehan, visionärer Unternehmer und Mitbegründer der Air Company (New York, USA), stellte vor, wie nachhaltige Chemie in echten Produktionsprozessen funktionieren kann. Sein Unternehmen nutzt CO2- Emissionen, um klimafreundliche Produkte herzustellen. Entnommenes Kohlendioxid könne zum Beispiel zur Produktion Kohlenstoff-negativer Alkohole und Duftstoffe verwendet und so sogar zum Luxusgut werden. Durch sogenannte Carbon Capture Verfahren könnten jährlich 10 Prozent der CO2 Emissionen reduziert werden. Er unterstrich, dass für nachhaltige Produktion effiziente heterogene Katalysatoren benötigt würden.
Ernst Haage-Preisträger*innen sind von Katalyse begeistert
Die Forschung von Ernst Haage-Preisträgerin Dr. Joyce Grimm richtet sich auf Wirkstoffe, die für medizinische und industrielle Anwendungen sehr gefragt sind: Menthol und Cannabinoid. Die Doktorandin aus der Abteilung für Homogene Katalyse von Professor Benjamin List am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung hat einen sehr effektiven Weg gefunden, das komplexe Molekül mittels selektiver asymmetrischer Organo-Katayse aus Neral zu synthetisieren. Die neue Methode bedeutet eine Einsparung mehrerer Syntheseschritte und galt lang als eine Art „Wunschreaktion“ in der Chemie. Für eine industrielle Anwendung sind die neuen Forschungsergebnisse von Dr. Grimm ausgesprochen interessant, was ihren Doktorvater und das Kuratorium der Ernst-Haage-Stiftung begeisterte.
Auch Dr. Maria Drosou aus der Abteilung für Molekulare Chemie und Spektroskopie der Kohlenforschung erhielt den Ernst-Haage Preis für Doktorand*innen/Postdocs. Dr. Drosou forscht sehr erfolgreich in der Gruppe von Dr. Dimitrios Pantazis (in der Abteilung von Prof. Frank Neese) im Bereich Photosynthese und Wasserspaltung. Ihr Weg in die Chemie war ungewöhnlich: Trotz einer vielversprechenden Karriere als Profiseglerin entschied sie sich für ihre andere Leidenschaft - die Chemie. Nach dem Studium und einer ersten Praxisstation in der Industrie habe sie die Forschung gereizt. Ihr Laudator Dr. Pantazis berichtete, dass sie sehr zielstrebig in die Tiefe der Moleküle eingetaucht sei und in kürzester Zeit hervorragende Beiträge geliefert habe. Die Humboldt-Forschungsstipendiatin widmet sich der Aufdeckung katalytischer Prinzipien der photosynthetischen Wasseroxidation mit Hilfe der Quantenchemie.
Mesoporöse Materialien und ihre effiziente Molekülstruktur standen im Zentrum des Vortrages von Dr. Oliver Dumele, der als Nationaler Preisträger mit dem Ernst-Haage Preis für Chemie ausgezeichnet wurde. Dumele leitete ein Lab an der Humboldt-Universität zu Berlin und setzte nicht nur durch seine exzellente Forschung zu geschichteten und makrozyklischen Materialien, sondern auch als hervorragender Mentor für sein Team Zeichen. „Er inspiriert junge Forschende, Verantwortung zu übernehmen“, hieß es in der Laudatio von Prof. Stefan Hecht. Kuratoriumssprecherin Professor Serena DeBeer überreichte die Auszeichnung an Dumele, welche mit einem Preisgeld der Ernst Haage-Stiftung verbunden ist.
Ausbildung als Herzensangelegenheit der Ernst Haage-Stiftung
Ernst Haage, der Zeit seines Lebens beiden Mülheimer Instituten verbunden war, legte stets großen Wert auf die Ausbildung junger Menschen. Daher wird im Rahmen des Ernst Haage-Symposiums auch ein Preis für Auszubildende verliehen. Die Chemielaborantinnen Berfin Göker aus der Kohlenforschung und Sandra Denner aus dem MPI für Chemische Energiekonversion erhielten die wohl erste große Auszeichnung auf ihrem noch frischen beruflichen Weg und großes Lob von ihren Ausbilderinnen.
„Die Ernst Haage-Preise sollen den Preisträger*innen ein Ansporn auf ihrem weiteren beruflichen Weg sein und ihnen die Bestätigung geben, dass sich ihr Eifer und ihre Neugier lohnen“, erklärte Serena DeBeer. Ein Blick zurück auf die letzten 15 Jahre zeige, dass viele von ihnen an ihrem Ziel angekommen seien und inzwischen als Professorin oder Professor an einer renommierten Universität tätig sind. Auch Dr. Oliver Dumele befindet sich auf diesem Weg und hat gerade eine W3 Professur an der Albert-Ludwigs-Univeristät in Freiburg angetreten.
Über die Ernst Haage-Stiftung
Er startete als Auszubildender in der Feinmechanik, baute seine technischen Kenntnisse auf und übernahm die Leitung der Werkstatt. Lange Jahre war Ernst Haage als Leiter der Feinmechanik am Mülheimer Campus tätig und gründete dann ein erfolgreiches Unternehmen. Nach seinem Tod rief seine Tochter Ursula Bonnen eine Stiftung ins Leben, welche den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Chemie fördern soll. Der Preis richtet sich an ausgezeichnete jüngere Forschende in Deutschland, die noch keine permanente Stellung gefunden haben.
Seit der ersten Ernst Haage-Preisverleihung in 2006 wurden 19 Preise an Nationale Preisträger*innen, 12 an Doktorand*innen der beiden MPIs und 20 an Auszubildende verliehen.